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Baustoff mit Geschichte

Bitumen ist bekannt. Doch vielen ist nicht bewusst, was der genaue Ursprung des Werkstoffs ist oder welche lange Reise das Bindemittel hinter sich hat, bevor es an der Asphaltmischanlage eintrifft und anschließend als Asphalt auf der Baustelle verarbeitet wird.

Bitumen ist das älteste bekannte Mineralölprodukt. Schon die alten Sumerer und Babylonier wussten um die Vorzüge des Werkstoffs. „Bereits 3.000 vor Christus bauten sie damit Häuser und Straßen oder dichteten Schiffe, Rohre und Deiche ab“, weiß Dr. Anja Sörensen, Geschäftsführerin der ARBIT. Die antiken Hochkulturen gewannen Bitumen damals aus natürlichen Vorkommen, wie beispielsweise Asphaltgesteinen. Heute wird Bitumen in großem Maßstab industriell in Raffinerien hergestellt – seine Grundlage ist jedoch wie vor tausenden Jahren gleich: der Naturstoff Erdöl.

Was ist Bitumen eigentlich?

Bitumen wird aus Erdöl gewonnen. Es ist somit ein Naturprodukt. Denn Erdöl entsteht bei Umwandlungsprozessen organischen Materials. Die Entstehungsgeschichte reicht viele Millionen Jahre zurück: In urzeitlichen Ozeanen wurde aus biotischen Substanzen einer der wichtigsten Energieträger der Neuzeit. Diese Vorgänge ereigneten sich in langen geologischen Zeiträumen, finden aber heute immer noch in gleicher Form im Meer statt. Verantwortlich für die Bildung von Erdöl sind abgestorbene Algen und Mikroorganismen. Sie sinken auf den Meeresgrund und lagern sich vermehrt in Vertiefungen ab. Sand, Ton und weitere Erdschichten überlagern diese Senken und Mulden im Laufe der Zeit. Die Sauerstoffarmut verhindert die vollständige Zersetzung der Biomasse und Bakterien wandeln die Schicht in Faulschlamm um. 

Entstehung unter hohem Druck

Dieser Planktonschlick verfestigt sich durch nachfolgende Sedimentschichten und wird zu festem Muttergestein. Die in den Poren des Gesteins gebundenen organischen Substanzen werden durch Druck und Hitze in gasförmige und flüssige Kohlenwasserstoffketten aufgespalten. Bei einem Druck von rund 150 bis 300 bar, was einer Tiefe von etwa 1.500 bis 3.000 m entspricht, und einer Temperatur von 65 bis 120° C entmischen sich diese Kohlenwasserstoffe aus dem Gestein und wandern aufgrund ihrer geringeren Dichte als Wasser durch die Gesteinsschichten nach oben. In der Folge sammeln sie sich als Erdöl und Erdgas in Speichergesteinen an. Gerät das Erdöl unter undurchlässige Gesteinsschichten, wird ein weiteres Vordringen verhindert und es reichert sich dort an – das Erdöl ist „gefangen“ und eine Lagerstätte entsteht. Erdöl findet sich daher häufig verteilt in Sandstein und klüftigem Kalkstein, die von undurchlässigen Schichten bedeckt sind, zum Teil aber auch in Ölsanden und Ölschiefern. 

Energieträgern auf der Spur

 „Aufgrund ihrer geologischen Lage, sind Öl- und Gasvorkommen nicht einfach zu finden“, erklärt Dr. Tobias Hagner von der TOTAL Bitumen Deutschland GmbH. „Wir unternehmen viele Anstrengungen und setzen verschiedenste technische Maßnahmen ein, um an rentable Lagerstätten zu gelangen.“ Am Anfang der Erdölerkundung, der sogenannten Prospektion, stehen häufig gravimetrische oder geomagnetische Messungen. Sie dienen zur Auffindung von Sedimentbecken. Sobald ein aussichtsreiches Gebiet ausgemacht ist, kommt die Reflexionsseismik zum Einsatz, um genaue Schichtgrenzen im Erdinneren zu bestimmen. Bei diesem Verfahren wird in der Regel die Vibrationsmethode angewandt, auch Vibroseis oder Vibro-Seismik genannt – die technischen Details unterscheiden sich je nachdem, ob die Erkundung an Land oder im Meer stattfindet. Bei dem Verfahren erzeugen große Vibratoren seismische Wellen, die sich ausbreiten und deren reflektierende Signale empfangen und ausgewertet werden. Aus den Daten werden Schichtenprofile erstellt, die Aus-kunft über potentielle Lagerstätten geben und als Ausgangspunkt für erste Erkundungsbohrungen dienen. 

Die Ölförderung

 Verlaufen die Untersuchungen erfolgreich und wird das Vorkommen als wirtschaftlich eingeschätzt, sorgen Bohrungen und entsprechende Bohranlagen für den Zugang zur Quelle. „Bohrinseln für die off-shore Gewinnung auf dem Meer sind dabei mit sehr hohen Explorationskosten verbunden. Die eigentliche Förderung erfolgt an Land und im Meer jedoch prinzipiell gleich“, so Linda Melbinger von der Shell Deutschland Oil GmbH. In verschiedenen Schritten wird das Öl zu Tage gefördert. In der ersten Phase, der Primärförderung, gelangt das Öl noch durch den natürlich vorhandenen Druck oder einfaches Pumpen an die Oberfläche. Lässt der natürliche Druck nach einiger Zeit sukzessive nach, wird in einer zweiten Phase, der Sekundärförderung, Wasser oder Gas in die Lagerstätte gepresst und damit zusätzliches Öl gefördert. Bei der Tertiärförderung werden schließlich Substanzen wie Dampf, Chemikalien oder Mikroben injiziert, um die Nutzungsrate nochmals zu erhöhen. 

Zusammensetzung des Erdöls

 Erdöl besteht hauptsächlich aus Kohlenstoff und Wasserstoff bzw. aus einem Gemisch mehrerer Kohlenwasserstoffe, wie Paraffinen, Naphthenen und Aromaten. Auch Kohlenstoffverbindungen wie Stickstoff (Amine, Porphyrine), Schwefel (Merkaptane, Thioether) oder Sauerstoff (Alkohole, Chinone) können enthalten sein. Metalle wie Eisen, Kupfer oder Nickel sind meist nur in sehr geringer Konzentration vorhanden. Die chemische Zusammensetzung, die jeweiligen Anteile der Inhaltsstoffe sowie die Dichte variieren beim Erdöl je nach geologischer Entstehungsgeschichte und Region. 

Spezifische Merkmale

 Erdöle werden nach diversen Eigenschaften unterschieden: entsprechend des Gewichts in leicht und schwer, nach niedrigem und hohen Schwefelgehalt und nach ihrer chemischen Zusammensetzung in naphthenbasische oder paraffinbasische Öle. Außerdem werden die flüssigen Energieträger ihrer Herkunft nach eingeordnet. „Dies ist wichtig für die Bitumenherstellung, weil dafür nur bestimmte Sorten geeignet sind“, sagt Dr. Anja Sörensen. So werden dort vorwiegend schwere Erdöle eingesetzt, zum Beispiel aus Russland, Südamerika und dem Mittleren Osten. 

Vom Erdöl zum Rohöl

Erdöl und Rohöl werden als Begriffe häufig synonym benutzt – fälschlicherweise. Denn Rohöl ist das stabilisierte, von leichten Gasen befreite Erdöl. Außerdem sind im Rohöl unerwünschte Anteile wie Sand, Salz und Wasser entfernt. So ist es bereit für den Transport und für die Weiterverarbeitung in Raffinerien. 

Wie aus dem Rohöl in den Raffinerien Bitumen hergestellt wird, erfahren Sie hier.