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Verdichtungsgrad

Frage: Warum fordern die ZTV T und ZTV Asphalt eigentlich nur 97% Verdichtungsgrad, wo doch eine gute Verdichtung ein wichtiges Qualitätskriterium darstellt und in Praxis manchmal sogar über 100% erreicht werden?

Antwort:
Bei der Beantwortung dieser Frage sind 3 Aspekte zu berücksichtigen: Die Asphalttechnik (Verdichtbarkeit), die Statistik von Prüfergebnissen und das Vertragsrecht (Toleranzen).

 1. Die Asphalttechnik:
Der Verdichtungsgrad ist definiert als das Verhältnis der Raumdichte des aus der fertigen Schicht entnommenen Bohrkerns zu der des Marshallprobekörpers (hergestellt mit Mischgut, welches an der Baustelle an gleicher Stelle entnommen wurde) in Prozent. Bei der Herstellung der Probekörper wird dabei eine definierte und unveränderbare Verdichtungsarbeit in Form von 2 x 50 Schlägen mit dem Marshall-Verdichtungsgerät aufgebracht. Die Art der Verdichtung mit diesem Gerat (schlagend) und die Verdichtung in der Praxis (statische und/oder dynamische Walzverdichtung sind stark unterschiedlich.

 Bei kleinkörnigen und leichter verdichtbaren Asphalten (z.B. den meisten Asphaltbetondeckschichtasphalten) reicht die Verdichtungsarbeit mit Marshall aus, die dichteste Lagerung des Korngerüstes zu erreichen. Diese Asphalte können also in Praxis keine Verdichtungsgrade über 100% erreichen – es sei denn durch Kornzertrümmerung.

 Anders bei den schwer verdichtbaren und grobkörnigen Asphalten (grobe Binder, grobe Tragschichten). Hier reicht die standardisierte Verdichtungsarbeit von 2 x 50 Schlägen nicht aus, um die dichteste Lagerung bei den vorgegebenen Probekörperabmessungen zu erreichen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei auch das Verhältnis der Probekörperabmessungen zum Größtkorn. Bei entsprechendem Walzeneinsatz sind auf der Baustelle dichtere Lagerungen dieser in der Regel auch dickeren Schichten als im Marshallprobekörper zu erreichen, damit also auch Verdichtungsgrade über 100%. Ob dies immer gut ist, ist eine andere Frage, vgl. Lüthje in „asphalt" 8/2000.

 Weitere Ausführungen hierzu findet man auch im „Merkblatt für das Verdichten von Asphalt“, M VA, Ausgabe 2005, FGSV 730.
Soweit zur Frage, warum manchmal Werte über 100% festgestellt werden.

 2. Die Statistik von Prüfergebnissen:
Der zweite zu beachtende Aspekt bezieht sich auf die Prüfung selbst, das „Messen“ des Verdichtungsgrades bzw. der (beiden) Raumdichten. Jede Messung, jedes Prüfergebnis unterliegt einer statistischen Streuung. Die DIN 1996 Teil 7 gibt im Abschnitt 9.3 die Vertrauensbereiche (hier Präzision unter Vergleichsbedingungen) nicht als feste Größe, sondern in Abhängigkeit des Kornanteils über 11,2 mm an. Überschläglich kann man sagen, daß die Vergleichspräzision für Asphalte mit Größtkorn bis 11 mm etwa 1% beträgt, für Asphalte, die 35 bis 40 M.-% über 11 mm enthalten, etwa 2%.

 Das bedeutet, daß bei letzteren ein Asphalt, der tatsächlich zu 99% verdichtet wurde, Meßwerte unter Vergleichsbedingungen (mehrere Proben, durch mehrere Geräte und Laboranten untersucht) zwischen 97 und 101% „erzeugt“. Oder andersherum: Ein Meßergebnis von z.B. 98% kann einen „wahren“ Verdichtungsgrad von 100 bis 96% bedeuten. Aus dieser Prüfungenauigkeit heraus können also auch leicht verdichtbare Asphalte Ergebnisse über 100% erzeugen, obwohl – siehe oben – das praktisch kaum möglich ist.

 3. Das Vertragsrecht:
Die Vertragsbedingungen müssen diese (und weitere) Ungenauigkeiten natürlich berücksichtigen. Hierzu heißt es gleichlautend in den ZTV Asphalt und den ZTV T mit Randstrich, also als Vertragsbestandteil: „…die angegebenen Grenzwerte und Toleranzen beinhalten sowohl die Streuungen bei der Probenahme und die Vertrauensbereiche der Prüfverfahren (Präzision unter Vergleichsbedingungen) als auch die arbeitsbedingten Ungleichmäßigkeiten, soweit im Einzelfall keine andere Regelung getroffen ist.“ Hieraus folgt dass eine Toleranz also stets mehr als nur die Prüfpräzision berücksichtigt und dementsprechend auch stets größer als diese Vergleichspräzision sein muss.

 Im Falle des Verdichtungsgrades kommt nun nicht (wie z.B. beim Bindemittelgehalt) eine Toleranz direkt zum Tragen, sondern ein Grenzwert, d.h. jedes Prüfergebnis muss größer sein als dieser Grenzwert. Bei einer Toleranz von 3 % (wie oben beschrieben geschuldet der Summe aus Prüfpräzision, Probenahme und unvermeidbaren Ungleichmäßigkeiten) und einem Sollwert von 100 % ergibt sich als Grenzwert eben 97% - mit der Maßgabe dass nun jeder Messwert diese 97 % überschreiten muss.

 
 

Hieraus resultiert auch, dass beim Einbau nicht 97% Verdichtungsgrad „angestrebt“ werden können oder dürfen, sondern 100%, da sonst sind Unterschreitungen des Grenzwertes unvermeidbar und damit Abzüge vorprogrammiert sind!