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Karzinogenität

IARC-Monograph / Einstufung von Bitumen:
Straßenbaubitumen von Krebsverdacht entlastet

Am 18. Oktober 2011 erschien eine Mitteilung der International Agency for Research on Cancer (IARC) auf der Website dieser Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese Ergebnisse des so genannten IARC-Monographs (Überprüfung der gesamten zu Bitumen und Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen bei der Heißverarbeitung erschienenen Literatur) differenzieren zwischen Arbeiten mit Oxidationsbitumen, mit Hartbitumen bei Gussasphalt und mit Straßenbaubitumen. Leider enthält die Mitteilung nicht die so genannten CAS-Nummern. Dies ist möglicherweise bei der Veröffentlichung des kompletten IARC-Monographs in Buchform zu erwarten.

Der Umgang mit Oxidationsbitumen am Arbeitsplatz wird als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ (Gruppe 2A) eingestuft, der Umgang mit Hartbitumen bei Gussasphaltarbeiten und mit Straßenbaubitumen als „möglicherweise krebserregend beim Menschen“ (Gruppe 2B) klassifiziert.

Bei Hartbitumen im Gussasphalt wird die Einstufung als „möglicherweise“ damit begründet, dass diese Bitumensorte nicht in Tierstudien untersucht wurde.
Bei Straßenbaubitumen wird zwar ausgeführt, dass die Verbindung zwischen Exposition und Krebserregung beim Menschen nicht ausreichend ist und es gab auch keine ausreichende Verbindung bei Tierversuchen. Die IARC hat aber eine neue zusätzliche Betrachtungsweise eingeführt, so genannte mechanistische Untersuchungen, und auf deren Grundlage die Klassifizierung in 2B vorgenommen.

Auf europäischer Ebene wird die Klassifizierung von Stoffen in vier Gruppen vorge-nommen, wobei die Gruppe 2 zwei Untergruppen aufweist.

In Deutschland ist die Klassifizierung anders:
Krebserzeugende Arbeitsstoffe sind nach der MAK- und BAT-Werteliste 2013 der Senatskommission zur Prüfung gesundheitlicher Arbeitsstoffe in 5 Gruppen eingeteilt, wobei die Gruppe 3 zwei Untergruppen hat. Zurzeit sind Dämpfe und Aerosole aus Bitumen bei der Heißverarbeitung in die Gruppe 2 eingestuft als krebserzeugend für den Menschen. Nach der Veröffentlichung der IARC bestehen gute Chancen, eine Klassifizierung in die Gruppen 3A oder 3B zu erreichen, was günstiger wäre als bisher.

In Gruppe 3A sind Stoffe erfasst, bei denen die Voraussetzungen erfüllt wären, sie der Kategorie 4 oder 5 zuzuordnen. Für die Stoffe liegen jedoch keine hinreichenden Informationen vor, um einen MAK- oder BAT-Wert abzuleiten. Gruppe 3B enthält Stoffe, für die Anhaltspunkte für eine krebserzeugende Wirkung vorliegen, die jedoch zur Einordnung in eine andere Kategorie nicht ausreichen. Zur endgültigen Entscheidung sind weitere Untersuchungen erforderlich.

Eine dieser beiden Gruppen kommt der IARC-Einstufung als „possibly carcinogenic to humans“ (Gruppe 2B) deutlich näher als die bisher gültige Einstufung in Gruppe 2. ARBIT und DAV werden daher mit Unterstützung des Gesprächskreises Bitumen auf die MAK-Kommission zugehen, um eine Änderung der Einstufung anzuregen. Ein offizieller Antrag kann allerdings erst nach Vorliegen des IARC-Monographs in Buchform gestellt werden.

Fazit:
Der IARC-Monograph, in den u. a. auch die von Asphalt- und Bitumenindustrie auf europäischer Ebene in den letzten 18 Jahren mit ca. 10 Mio. € finanzierten verschiedenen Gesundheitsstudien eingeflossen sind, eröffnet Chancen, eine für die Industrie günstigere Einstufung der Dämpfe und Aerosole aus Bitumen als bisher zu erreichen.

Bonn, im April 2014

Forschungsaufträge der Asphalt- und Bitumenindustrie

In den letzten 20 Jahren haben Asphalt- und Bitumenindustrie mit erheblichem Kostenaufwand mehrere Studien in Auftrag gegeben, die sich mit der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der Dämpfe und Aerosole aus Bitumen bei der Heißverarbeitung befassen. Hintergrund war, dass immer wieder der Verdacht geäußert
wurde, diese Dämpfe seien für den Menschen krebserregend, ohne dies aber mit Fakten zu belegen. Alle wichtigen und groß angelegten Studien haben das Ergebnis, dass Dämpfe und Aerosole aus Bitumen bei der Heißverarbeitung nicht krebserregend sind.

Im Folgenden werden die Ergebnisse der vier größten und umfangreichsten Studien zusammengefasst.

  
Epidemiologische Studie der International Agency for Research on Cancer (IARC)
 
Mit Datum vom 30. September 2008 hat die IARC, eine Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation WHO, den Entwurf des Schlussberichts über die Fallkontrollstudie über Lungenkrebs bei europäischen Asphaltarbeitern an die Auftraggeber übergeben. Die Ergebnisse der Fallkontrollstudie können wie folgt zusammengefasst werden:

  1. Ergebnis der 1. Phase der epidemiologischen IARC-Studie war, dass bitumenexponierte Bauarbeiter ein um 8 % höheres Lungenkrebsrisiko haben als nicht bitumenexponierte Arbeiter.
  2. In der Fallkontrollstudie wurden – was in der 1. Phase der Studie nicht der Fall war – Lebensumstände wie Rauch- und Trinkgewohnheiten und nähere Umstände der gesamten Beschäftigungsdauer wie Art und Höhe der Exposition einbezogen.
  3. In die Studie einbezogen wurden 675 bitumenexponierte Arbeiter bis zu einem Alter von 75 Jahren, die entweder an Lungenkrebs bereits verstorben sind oder bei denen Lungenkrebs diagnostiziert wurde. Sie stammen aus Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Norwegen. Sie waren mindestens zwei Jahre in der Asphaltindustrie beschäftigt. Die Lungenkrebsdiagnose oder der Todeseintritt war zwischen 1980 und 2005. Eine „gesunde“ Kontrollgruppe von 5052 Arbeitern wurde der Lungenkrebskohorte gegenüber gestellt.
    Den Erkrankten wurden in persönlichen Interviews Fragen nach Rauch- und Trinkgewohnheiten und Beschäftigungsgeschichte gestellt. Bei bereits verstorbenen Arbeitern wurden diese Gespräche mit Hinterbliebenen geführt. Gleichzeitig wurde bei den Arbeitgebern ebenfalls nach der Beschäftigungsgeschichte und der Exposition gefragt. Berücksichtigt wurde Exposition gegenüber Bitumendämpfen, Bitumenkondensat (Dermalexposition), Asbest, Silika, Dieselabgasen und Teer. Dabei wurde unterschieden zwischen dauerhafter Exposition während des Beschäftigungsverhältnisses oder nur zeitweiser Exposition und dem Durchschnitt der Belastung.
  4. 415 Krebsfälle und 1.206 nicht belastete Kontrollfälle wurden letztlich in diese Analyse aufgenommen. Gegenüber den oben erwähnten 675 Krebsfällen und der Kontrollgruppe von 5.052 Arbeitern sind dies die Fälle, die noch nachvollziehbar waren. Interviews wurden in 96 % der erkrankten oder bereits verstorbenen Fälle, bei Verstorbenen mit deren Angehörigen, geführt und bei 31 % der Kontrollfälle.
  5. Die wichtigsten Aussagen des Berichts lauten: 
  •   Die in der 1. Phase der Studie beobachtete höhere Häufigkeit von Lungenkrebs unter bitumenexponierten Arbeitern gegenüber der allgemeinen Bevölkerung ist dem hohen Tabakkonsum dieser Arbeiter zuzuschreiben, während andere Expositionsarten keine bedeutende Rolle zu spielen scheinen.
  • Die fehlende Verbindung von Lungenkrebs mit Inhalationsexposition und mit der Dauer der dermalen Exposition überwiegt die Ergebnisse, die auf dermaler Exposition und deren Intensität basieren. Allerdings kann die Möglichkeit eines Effekts dermaler Exposition gegenüber Bitumenkondensat nicht vollkommen ausgeschlossen werden.
  • Obwohl ein karzinogener Effekt der Arbeitsplatzexposition gegenüber Bitumen in dieser Studie nicht bewiesen werden kann, deutet die Möglichkeit des Effekts einer hohen Dermalexposition darauf hin, dass sowohl Inhalation als auch dermale Exposition bei Asphaltarbeitern minimiert werden sollen.
  • Die Studie zeigt offensichtlich, dass wir die Möglichkeit eines starken Krebsrisikos (wie bei Teer) aufgrund einer Exposition gegenüber Bitumen bei Straßenbau und Hochbau auf dem Niveau der untersuchten Gruppe ausschließen können. “

Tierinhalationsstudie des Fraunhofer-Instituts

Das Fraunhofer-Institut in Hannover hat zwei Jahre Versuchstiere (Ratten) einer Exposition gegenüber Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen bei der Heißverarbeitung ausgesetzt, die der Situation auf der Baustelle vergleichbar ist. Die entscheidenden Ausführungen im Abschlussbericht des Fraunhofer-
Instituts lauten:

„Die Inhalation von Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen über einen Zeitraum von zwei Jahren hat bei den Versuchstieren (Ratten) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die nur reine Luft eingeatmet hat, nicht zu einem statistisch relevanten Anstieg in der Krebsrate geführt, weder insgesamt, noch in spezifischen Organen. Aufgrund dieser Ergebnisse können Dämpfe und Aerosole aus Bitumen nicht als krebserregend für Ratten angesehen werden. Vereinzelt wurden in Nasengängen und Lunge Reizungserscheinungen festgestellt, die auf die Wirkung der Dämpfe zurückzuführen sind.“

Der Bericht wurde auf einem internationalen Gesundheitssymposium im Juni 2006 in Dresden vorgestellt.

Humanstudie des Berufsgenossenschaftlichen Forschungsinstituts für Arbeitsmedizin (BGFA)

Die BGFA in Bochum hat ca. 400 bitumenexponierte Gussasphaltarbeiter jeweils vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende untersucht. Untersuchungsgegenstände waren Nasenschleim, Sputum und Urin. Ca. 130 nicht bitumenexponierte Bauarbeiter bildeten die nicht durch Dämpfe und Aerosole aus Bitumen bei der Heißverarbeitung belastete Referenzgruppe.

Erste Ergebnisse der BGFA-Studie zeigen, dass weder auffällige Veränderungen bei den bitumenexponierten Gussasphaltarbeitern zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende festzustellen sind, noch erhebliche Unterschiede zwischen den bitumenexponierten und den nicht bitumenexponierten Arbeitern.

NIOSH Paving Studie (skin painting study)

Das National Institute for Occopational Safety and Health (NIOSH) in den USA hat im Auftrag des Asphalt Institute einen zweijährigen Tierversuch durchgeführt, bei dem den Versuchstieren (Mäuse) zwei Jahre lang jeden Tag ein Bitumendampfkondensat auf die Haut aufgetragen wurde. Die Hauptergebnisse dieser zweijährigen Studie sind:

  • Bitumendampfkondensat hat keine krebserregende Wirkung.
  • Lediglich geringe Hautirritationen wurden festgestellt.
  • Die Tiere haben die Exposition gut überstanden; die Überlebensraten waren genauso wie in der nicht belasteten Kontrollgruppe.
  • Andere, die Gesundheit der Versuchstiere belastende Resultate wurden nicht gefunden. 

Diese sich teilweise über mehrere Jahre hinziehenden Studien haben eindeutig nicht nur einen angeblichen Krebsverdacht gegen Dämpfe und Aerosole aus Bitumen bei der Heißverarbeitung nicht nachweisen können, sondern positiv den Nachweis erbracht, dass die Dämpfe und Aerosole aus Bitumen bei der Heißverarbeitung nicht krebserregend für Tiere oder Menschen sind.